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Inhalt
 

Der Zerbrochne Krug
Notizen zur Regie von Veronika Glatzner


„Der zerbrochne Krug“ von Heinrich von Kleist ist ein Stück, das sich mit Themen wie Nötigung, Machtmissbrauch und Korruption beschäftigt. Es geht um ein Ausloten von Lüge und Wahrheit und es geht um Sprache, die als Mittel zum Machterhalt dient. Die Sprache ist es, die die Wahrheit sucht oder vertuscht. Alle Figuren versuchen, sich der Wahrheit bzw. der Unwahrheit anzunähern. Dabei kommt es zu harten verbalen Kämpfen um die  eigene und die „eine“ Wahrheit. Alle Figuren im Stück bis auf Adam sprechen „ihre“ Wahrheit, aber er lügt. Ist Lüge das Gegenteil von Wahrheit? Wann wird eine Wahrheit zur Lüge? Wann eine Lüge zur eigenen Wahrheit? Das Gericht bietet den Figuren eine Arena, in der sie mit aller Vehemenz und Ellbogentechnik ihre Wahrheit darlegen können. Dabei agieren sie immer vom eigenen Standpunkt aus; sie wissen was passiert ist - ganz genau. Die Emotionen zum Geschehen der vergangenen Nacht leiten deutlich sichtbar die Wahrnehmung der Figuren. Wahrnehmung formt Wirklichkeit.  

Mit den Mitteln von Sprache wird versucht, Gesicht und Status zu wahren. Am Ende kennen wir im Publikum nur die Varianten der Wahrheit der Protagonisten dessen, was geschehen ist. Wer den Krug zerschlagen hat,     ist klar, aber den Hergang der Dinge kennen wir nur aus den Blickwinkeln der Beteiligten. Es sind Mosaiksteine der Wahrheit, Objektivität ist nicht möglich.

Die Rede des Einzelnen zählt je nach gesellschaftlicher Stellung unterschiedlich.
Während der Richter, aufgrund seiner Position „Recht“, „richtig“, „wahr“ sprechen soll, wird von Angeklagten/Zeugen eher erwartet, dass sie der Lüge überführt werden müssen, dass über ihre Wahrheit gerichtet werden muss. Dabei ist der gesellschaftliche Status der Figuren entscheidend: Die Kläger und Geklagten sind die Erniedrigten/Beleidigten/Gedemütigten. Alle wissen um ihre Position im gesellschaftlichen Gefüge. In unserer Inszenierung in Perchtoldsdorf sollen sie immer wieder in Türen/Löcher/Unterbühne, also im Übertragenen in die „Vorhöfe der Macht“, die Warte- und Nebenzimmer zurückgedrängt werden.

Einzelne Figuren werden vor Gericht offen gedemütigt. Es wirkt aber so, als wären sie es gewöhnt und als könnte ihnen das kaum etwas anhaben. Sie sind dadurch nicht schaumgebremst, ereifern sich, produzieren sich und wissen – teilweise - um ihre Recht, z. B. Marthe Rull, die vors Höchstgericht in Utrecht ziehen will. Hier ist das Aufbegehren der Unterklasse spürbar.

Status soll auch körperlich ausgedrückt werden. Die Körper verraten mehr als alle Worte. Sie verselbständigen sich, handeln wider das Gesagte, verraten mehr als die Sprache und/oder konterkarieren die Sprache.

Als Hauptfigur wird Adam in unserer Zugangsweise charmant, sympathisch, einfallsreich, mal sprachgewandt, dann wieder plump, also völlig uneinschätzbar sein. Er geht manchmal sogar lustvoll in die Auseinandersetzung, als würde er sich darüber freuen.  Er hat das Gefühl, unangreifbar zu sein, ist in einer Machtposition, die ihm qua status ermöglicht, zu lügen. Er glaubt aufgrund seiner bisherigen Gerichtsführung im Ort, über dem Gesetz zu stehen. Wichtig ist uns, deutlich zu machen, wie sehr die Lüge Platz in der öffentlichen/juristischen Sphäre hat. Es ist möglich, Behauptungen aufzustellen, die von denen als Wahrheit empfunden werden, die daran glauben wollen.

In der Textversion bleiben wir ganz dicht am Klassiker dran, aber natürlich in gekürzter Form. Die Fassung wird auf der von Kleist für den Erstdruck erstellten „Variant“ des Schlusses basieren, ebenfalls gekürzt.

Zur Aussage: Auch wenn abzusehen ist, dass Adam keine gerechte Strafe widerfahren wird, und mit Walter ein weiterer Vertreter der Justiz, die Unterlegenheit Eves ausnützt und sie kompromittiert, ist die Aussage, alles bleibt unverändert, also Männerbünde und das Patriarchat setzen sich immer durch, für die Regie zu wenig spannend. Im Gegensatz zu üblichen Deutungsversuchen soll gezeigt werden, wie patriarchale Strukturen zu bröckeln beginnen. Starke Frauen wie Eve oder ihre Mutter weisen in Passagen darauf hin. Eve ist mehr als nur Opfer. Sie wartet auf ihren Moment, brennt zu erzählen, was ihr passiert ist, hat weniger Scham, aber Angst vor den Folgen.

Zentral sind die Inszenierungen der Schilderungen, was passiert ist, und wie sich die Figuren in Szene setzen, sie sollen zentraler Punkt der Inszenierung sein. Dabei werden in den Varianten der Nacht verschiedenen Genres durchgespielt (Melodrama, Slapstick, Mime, Schattenspiel, comedia del arte, etc.) Als Alternative: während erzählt wird, spielen Adam/Eve/Ruprecht das Erzählte wie Marionetten als Varianten bzw. unterlaufen die Erzählung durch Zuwiderlaufen. Oder wir bleiben nach dem Ausbalancieren der schauspielerischen Möglichkeiten bei der Erzählung, damit die sprachliche Brillanz genug zur Geltung kommt. Die Probenarbeit wird das zeigen.

Die Klassengesellschaft steht auf dem Prüfstand: Die Sphäre der Männer vertreten durch die Macht und Justiz, steht gegen die Frauen, die sich in einer Sphäre von Anklage, Opfer, Zeugen-Ohnmacht und Unterklasse bewegen - oder doch nicht ganz? Ändert sich etwas?  

 

 
Premiere
 
Mittwoch 30. Juni 2021   20.00 Uhr
intendanz
 
Michael Sturminger
regie
 
Veronika Glatzner
VorstellungEN 
 
Mi Do Fr Sa
  01.7. 02.7. 03.7.
  08.7. 09.7. 10.7.
14.7 15.7. 16.7. 17.7.
  22.7. 23.7. 24.7.
  29.7. 30.7. 31.7.

Stückeinführung vor jeder Vorstellung
um 19.15 Uhr im Metzgergarten

Vorstellungsbeginn 20.00 Uhr (1 Pause)
Spielende 22.15 Uhr
KARTENPREISE / SITZPLAN
 
I € 52,- II € 42,- III € 30,-
TICKETS ONLINE kaufen
 
 
KartenKAUF / Infocenter
 
Marktplatz 10, 2380 Perchtoldsdorf
Mo und Sa 10-13 Uhr
Di  bis Fr 10-13 Uhr, 15-18 Uhr
Kontakt
 
T 01 866 83-400     F -450


Wetterbedingte Vorstellungsabsagen
werden am jeweiligen Veranstaltungstag frühestens um 19 Uhr auf der Startseite von perchtoldsdorf.at bekanntgegeben →

 
 
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